So schafft der HACKERGY Freiraum
Gut jeder zweite Energieversorger verfügt über eine Digitalstrategie. Etwa ebenso viele entwickeln derzeit ein neues digitales Produkt. Dennoch sind fast 80 Prozent unzufrieden mit den digitalisierungsrelevanten Kompetenzen ihres Unternehmens.
So die Ergebnisse von Digital@EVU 2021, einer Umfrage des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Wie in vielen anderen Branchen hapert es an Zeit, Ressourcen und digitalen Pionieren. Es fehlt an Digital Natives, die mit neuen Technologien aufgewachsen sind. Die bei der Entwicklung von Lösungen und Prozessen einen anderen Blickwinkel einnehmen. Die sich trauen, für knifflige Problemstellungen neue Stellschrauben zu drehen. Die es nicht kümmert, wie das Unternehmen die Dinge „schon immer so gemacht hat“. „Um ebendiese Digital Natives zu erreichen, organisieren wir innerhalb der Pfalzwerke-Gruppe unter Beteiligung der Pfalzwerke Netz AG regelmäßig einen Hackathon, den HACKERGY“, berichtet Christopher Huch, der die IoTista-Plattform verantwortet und den HACKERGY ins Leben gerufen hat.
Hackathons als Digitalisierungszünder
Der Begriff Hackathon ist eine Wortschöpfung aus dem englischen „Hack“ und „Marathon“. Unter einem „Hack“ versteht man eine unkonventionelle Problemlösung oder einen technischen Kniff. Ein Hackathon ist ein mehrtägiges Event: „Hacker“ kommen zusammen, um innerhalb einer vorgegebenen Zeit eine vorgegebene Problemstellung (sogenannte „Challenges“) gemeinsam zu lösen. Der Hackathon der Pfalzwerke-Gruppe legt seinen Fokus auf Themen rund um Energie. Daher der Name HACKERGY.
Hackathons sind typischerweise auf 48 bis 72 Stunden angelegt. Auch der erste HACKERGY der Pfalzwerke-Gruppe folgte dieser Zeitbegrenzung. „Mit der zweiten Ausgabe haben wir den HACKERGY allerdings auf vier Wochen erweitert und die HACKERGY Battleweeks ausgerufen“, sagt Katja Christ, die bei der Pfalzwerke Netz AG für das Prozessmanagement zuständig ist und den HACKERGY gemeinsam mit Christopher Huch verantwortet und organisiert. So starteten die HACKERGY Battleweeks 2021 mit einem Wochenende, an dem die Pfalzwerke-Gruppe sechs Challenges vorstellte: von einem smarten Fördermittelmanager über eine App, die relevante IoT-Sensordaten mobil zugänglich macht, bis hin zu einem Cockpit, mit dem sich Betriebsdaten zu Photovoltaik-Anlagen interaktiv visualisieren lassen.
Und wer hat sich die Challenges ausgedacht?
Von der Idee zur Challenge – Stadtwerke können sich jetzt beteiligen
„Für die Challenges gehen wir im Vorfeld in den Fachbereichen klappern“, sagt Christopher Huch. „Wir fragen, welchen Problemen und Herausforderungen die Kollegen in ihrem Arbeitsalltag begegnen und welche Lösungsansätze sie sehen. Anschließend bewerten wir, welche Ideen es bis zum Endnutzer oder -kunden schaffen. Diese Ideen schärfen wir gemeinsam mit den Fachbereichen.“ Ist die Idee schließlich so reif, dass die Hacker sie innerhalb von vier Wochen lösen können, kommt die Challenge auf die Agenda.
„Aktuell bereiten wir die nächsten Battleweeks vor, die im Herbst 2022 starten sollen“, berichtet Christopher Huch. Dafür öffnet die Pfalzwerke-Gruppe den HACKERGY erstmals auch für Ideen aus Stadtwerken. „Wir würden uns sehr freuen, wenn Stadtwerke uns ganz informell ihre Idee für ein digitales Produkt skizzieren. Beispielsweise per E-Mail, Kontaktformular oder am Telefon“, lädt Christopher Huch ein. Auf diese Weise können Stadtwerke Gedanken zu digitalen Produkten und Prozessen einbringen, die sie schon immer mal angehen wollten, aber für die stets Zeit und Ressourcen fehlten. Hat die Idee Potenzial für den Endnutzer schärft das HACKERGY-Team sie gemeinsam mit dem ideengebenden Stadtwerk. Das Stadtwerk nimmt als Challenge-Partner am HACKERGY teil und unterstützt sein Hacker-Team während der Battleweeks bei fachlichen Fragen.
Das Team selbst setzt sich aus Codern, UX-UI-Designern, Marketern, Data Scientists und Digital Natives zusammen, die Freude an Kollaboration haben. Während der vier HACKERGY-Wochen organisieren sich die Hacker selbst: Manche Teams arbeiten kontinuierlich jeden Tag ein paar Stunden an ihrer Challenge. Andere hauen zwei, drei Tage am Stück in die Tastatur, um ihr Minimal Viable Product (MVP), also die erste funktionsfähige Iteration eines Produkts, zum Leben zu erwecken. „Die Teilnehmer und ihre intrinsische Motivation, sich zu beteiligen, beeindrucken mich jedes Mal“, sagt Katja Christ. „Sie genießen den Moment, ihre Fähigkeiten einzubringen, mit anderen zusammenzuarbeiten und daran zu wachsen.“ Am Ende der HACKERGY Battleweeks präsentiert jedes Team sein MVP. Eine Jury bewertet alle vorgestellten Produkte und kürt die beste Lösung.
Vom MVP zum fertigen Produkt
Mit der Preisverleihung enden die meisten Hackathons. Nicht so der HACKERGY. Der HACKERGY unterscheidet sich hier von klassischen Hackathons in zwei Punkten: „Zum einen entwickeln wir die MVPs nach den Battleweeks konsequent weiter und bringen die Produkte zur Marktreife“, erklärt Katja Christ. „Zum anderen können die Teams die Weiterentwicklung nach den Battleweeks aktiv mitbegleiten.“ Möglich macht dies der HACKERGY Activator. Mit diesem Inkubator-Programm fördern die Pfalzwerke-Gruppe die Produktentwicklung sowohl finanziell als auch mit eigenen Entwicklungs-, Vertriebs- und Marketingressourcen. Auf diese Weise entstehen innerhalb von neun bis zwölf Monate digitale Innovationen. Unter anderem sind so der Fördermittelmanager sowie die IoTista-App in die Weiterentwicklung gegangen. Beide Produkte stecken gerade im Activator und sollen zeitnah auf den Markt kommen.
Mit dem Fördermittelmanager entwickeln die Pfalzwerke-Gruppe gemeinsam mit dem Challenge-Team eine Plattform, die Informationen zu allen Fördermitteln digital an einem Ort bündelt. Eine Art Fördermittel-Suchmaschine: Anstatt zu bestimmten Themen mühsam über verschiedene Quellen recherchieren zu müssen, können Stadtwerke, Kommunen und andere Organisationen den Fördermittelmanager künftig nutzen, um passende Geldtöpfe für ihr Vorhaben zu finden.
Die IoTista-App ermöglicht es Servicemitarbeitern, von Sensoren aufgezeichnete, relevante Betriebsdaten über das Smartphone einzusehen. So kann beispielsweise der Hausmeister einer Schule digital abrufen, ob alle Türen geschlossen, alle Lichter erloschen oder auch der Füllstand des Pelletlagers für das Heizen der Klassenräume optimal ist. Ohne, dass er alle Orte einzeln aufsuchen muss. Eine App, die bald auch schon Servicetechniker der Stadtwerke für ihre IoT-Sensoren nutzen könnten.